Wenn Menschen von einem „Trauma“ sprechen, ist oft nicht eindeutig, ob damit das belastende Ereignis selbst oder die Folgen dieses Ereignisses gemeint sind. Auch ist es noch einmal ein Unterschied, ob ein Mediziner von einem Trauma spricht oder ob der Begriff in einem psychotherapeutischen Kontext verwendet wird.
Aus medizinischer Sicht bezeichnet Trauma grundsätzlich eine schädigende Einwirkung auf den Körper, die eine Verletzung oder Funktionsstörung hervorruft.
Ein körperliches Trauma, auch somatisches Trauma genannt, entsteht durch eine äußere Gewalteinwirkung,
zum Beispiel durch Unfall, Sturz, Schlag, Schussverletzung, Verbrennung oder Operation.
Es kann zu sichtbaren Verletzungen, zum Beispiel Knochenbrüche, Platzwunden, innere Blutungen, oder zu unsichtbaren Schädigungen, wie zum Beispiel Schädel-Hirn-Trauma, innere Organschäden, führen.
In der Medizin spricht man häufig auch von „Traumatologie“, also der Lehre von Verletzungen und deren Behandlung.
Aus psychologischer Sicht bezeichnet Trauma grundsätzlich auch eine schädigende Einwirkung, aber hier auf die Psyche eines Menschen, die eine psychische Verletzung oder psychische Funktionsstörung hervorruft.
Hierunter versteht man eine seelische Verletzung durch ein überwältigendes Ereignis, das die Belastungs- und Verarbeitungsfähigkeit einer Person überfordert.
Typische Auslöser sind zum Beispiel Kriegserfahrungen, Misshandlungen, Unfälle, Katastrophen oder plötzlicher Verlust nahestehender Personen.
Mögliche Folgen können zum Beispiel akute Belastungsreaktionen, Anpassungsstörungen oder langfristig eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) sein.
Wenn ich in diesem Beitrag über Trauma spreche, dann verwende ich den Begriff ausschließlich aus psychologischer Sicht und für die Folgen eines Geschehens, da nicht jedes potenziell traumatische Erlebnis zwangsläufig zu Symptomen oder Traumafolgestörungen führt.
Sprache und Missverständnisse rund um den Begriff „Trauma“
Der Begriff „Trauma“ wird im Alltag oft sehr unterschiedlich verwendet. Viele Menschen sagen zum Beispiel: „Das war ja traumatisch!“, und meinen damit schlicht ein besonders unangenehmes oder stressiges Erlebnis, wie eine misslungene Prüfung oder einen peinlichen Auftritt. In einem fachlichen Kontext meint „Trauma“ jedoch eine tiefgreifende seelische oder körperliche Verletzung, die die Stabilität und Funktionsweise eines Menschen nachhaltig beeinträchtigen kann.
Diese doppelte Verwendung führt leicht zu Missverständnissen:
- Alltagssprache: Trauma = schlimmes oder belastendes Erlebnis.
- Fachsprache: Trauma = die bleibenden Folgen und Störungen nach überwältigenden Ereignissen.
Gerade im psychologischen Bereich ist die Unterscheidung wichtig: Nicht jedes belastende Ereignis ist automatisch ein Trauma im engeren Sinne. Entscheidend ist, ob die innere Schutz- und Verarbeitungsfähigkeit einer Person überfordert wird und dadurch längerfristige Symptome entstehen.
Sprache hat hier eine besondere Wirkung: Wer ein schweres Leid als „nur ein bisschen traumatisch“ bezeichnet, kann Betroffene unbewusst bagatellisieren. Umgekehrt kann es hilfreich sein, wenn wir im Alltag bewusster unterscheiden – etwa zwischen „belastend“, „erschütternd“ oder tatsächlich „traumatisch“. Das schafft Klarheit und schützt davor, den Begriff zu entwerten oder abzuschwächen.
Die Definition von Trauma
Unter Trauma versteht man eine Unterbrechung im Kontakt oder in der Verbindung.
Es geht um den Kontakt oder die Verbindung etwa zu anderen Menschen, zu uns selbst, zu unseren Gefühlen oder zu unseren Erinnerungen. Es beschreibt ein Durchbrechen der schützenden Grenze, die normalerweise Halt und Sicherheit gibt.
Ein Trauma entsteht durch Erfahrungen, die entweder zu schnell, zu viel, zu plötzlich, zu stark oder zu überwältigend sind. Dazu können einmalige Ereignisse wie ein Unfall, ein Sturz, eine Gewalterfahrung oder ein sexueller Übergriff gehören.
Ebenso können auch dauerhafte Belastungen, die das System permanent unter Stress setzen, traumatisch wirken. Beispiele sind Vernachlässigung, wiederholte psychische Gewalt oder andauernde Überforderung.
Besonders prägend sind Bindungstraumatisierungen, die entstehen, wenn Kinder nicht die verlässliche und schützende Fürsorge von Bezugspersonen, in der Regel den Eltern, erfahren, die sie benötigen. Auch wiederholte Formen sexualisierter oder körperlicher Gewalt können hier eine Rolle spielen.
Folgen von Trauma
Traumatische Erfahrungen können sehr unterschiedliche Auswirkungen haben, sowohl auf die Psyche als auch auf den Körper. Nicht alle Betroffenen entwickeln die gleichen Symptome, und die Folgen können sofort nach dem Erlebnis, oder auch erst viele Jahre später auftreten.
Typisch ist, dass ein Trauma das Gefühl von Sicherheit, Vertrauen und Selbstwirksamkeit stark beeinträchtigen kann.
Mögliche Folgen traumatischer Erlebnisse sind zum Beispiel:
- Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) mit Symptomen wie Flashbacks, Albträumen, starker Anspannung und Vermeidungsverhalten
- Körperliche Beschwerden, die keine eindeutige organische Ursache haben (z. B. chronische Schmerzen, Erschöpfung, Schlafstörungen, hormonelle Dysbalancen)
- Depressionen und Angststörungen sowie weitere psychische Erkrankungen (z. B. Zwangsstörungen, Essstörungen, Panikattacken)
- Dissoziation und Abspaltung, ein Gefühl, wie „neben sich zu stehen“ oder nicht richtig im eigenen Körper zu sein
- Scham- und Schuldgefühle, die oft unbegründet, aber sehr belastend sind
- Gefühl der Hilflosigkeit und ein Mangel an Bewältigungsstrategien („Coping“)
- Schwierigkeiten im Umgang mit Gefühlen, etwa fehlende Ausdrucksfähigkeit oder ein vermindertes Vertrauen in andere Menschen
- Beeinträchtigte Beziehungen, weil Nähe, Vertrauen und Bindung oft schwerfallen
Sichtbarkeit von Traumafolgen in verschiedenen Situationen in der Arbeit mit traumatisierten Menschen
Auch in Arbeitsfeldern, die nicht direkt traumaspezifisch ausgerichtet sind, wie etwa in Medizin, Naturheilkunde, Körperarbeit, Wellness oder Beratung, können die Folgen eines Traumas sichtbar werden. Betroffene bringen ihre Belastungen oft unbewusst in Behandlungs- oder Beratungssituationen mit ein.
Mögliche Anzeichen, die sich im Kontakt mit traumatisierten Menschen zeigen können:
- Vertrauensprobleme
Klienten tun sich schwer, Nähe zuzulassen oder sich auf die Behandlung einzulassen. - Kommunikationsschwierigkeiten
Der Zugang zu Gefühlen ist eingeschränkt, wichtige Themen werden vermieden. - Angst vor Nähe und Berührung,
was körperbezogene Arbeit erschwert. - Starke emotionale Reaktionen,
wie Trigger, Flashbacks oder Dissoziationen während der Behandlung. - Wiederauftauchen von Scham- und Schuldgefühlen
- Gefahr einer Retraumatisierung,
wenn unachtsam oder zu schnell vorgegangen wird. - Behandlungen greifen nicht,
weil die eigentliche Ursache auf traumatischen Erfahrungen beruht. - Rückzug oder Abbruch von Sitzungen,
wenn es zu überwältigend wird. - und vieles mehr…
Unterscheidungen von Traumata
Es gibt verschiedene Möglichkeiten Traumata zu unterscheiden, oder auch zu kategorisieren. Einige Wege davon möchte ich hier gerne kurz erklären.
Unterscheidung nach Häufigkeit und Art des Erlebens
Diese Unterscheidung findet man in der Regel in der gängigen Fachliteratur.
Typ-I-Trauma (einmalige Traumatisierungen)
Ein traumatisches Ereignis tritt nur ein einziges Mal auf. Beispiele:
- Unfall
- Sturz
- Hundebiss
- Überfall
- Vergewaltigung
- u.s.w.
Typ-II-Trauma (komplexe Traumatisierungen)
Ein Trauma entsteht durch das wiederholte oder andauernde Erleben ähnlicher oder verschiedener belastender Ereignisse. Beispiele:
- Vernachlässigung
- Häusliche Gewalt (sexualisiert, körperlich oder psychisch)
- Entwicklungs- und Bindungstraumatisierungen
- u.s.w.
Unterscheidung nach Ursache
Die Unterscheidung der Ursachen ist oft sinnvoll, weil die Symptome und Folgen unterschiedlich sein können:
Naturgewalten / höhere Gewalt
- Überschwemmung
- Tsunami
- Erdbeben
- u.s.w.
Betroffene erleben oft Zusammenhalt und gegenseitige Unterstützung.
Das Gefühl, nicht allein zu sein, kann vor schwereren Folgen schützen. Es treten häufig wenige oder gar keine Symptome auf.
„Man-made-trauma“ – von Menschen verursacht
- Überfall
- häusliche Gewalterfahrung
- Misshandlung
- Vernachlässigung
- sexualisierte Gewalt
- Entführung
- Folter
- Operation
- u.s.w.
Die Betroffenen fühlen sich oft isoliert. Das Vertrauen in andere Menschen wird erschüttert. In der Regel kommt es zu einer starken Symptombildung.
Kollektive Traumatisierungen
Ereignisse, die viele Menschen gleichzeitig betreffen, wie zum Beispiel:
- Kriege
- u.s.w.
Unterscheidung nach biographischer Zugehörigkeit
Selbst erlebtes Trauma
Traumatische Ereignisse, die man direkt selbst erfahren hat.
Zeugenschaft und sekundäre Traumatisierung
Traumatisierungen, die entstehen, wenn man Zeuge eines traumatischen Geschehens wird (z. B. Unfall, Gewaltverbrechen) oder wenn man beruflich mit traumatisierten Menschen zu tun hat.
Transgenerationale Traumatisierung
Belastungen, die aus der Lebensgeschichte von Eltern oder Großeltern an die nächsten Generationen weitergegeben werden. Das kann auf verschiedenen Ebenen geschehen:
- durch konkrete Handlungen
- durch übernommene Bindungsmuster
- durch Werte, Normen und Einstellungen innerhalb der Familie
- über biologische Mechanismen (Epigenetik)
Unterscheidung anhand des Zeitpunktes im Leben eines Menschen
Eine weitere Möglichkeit, Traumata einzuordnen, ist der Zeitpunkt im Leben, an dem ein Mensch belastende Erfahrungen macht. Das Alter, in dem ein Trauma geschieht, beeinflusst, wie stark es wirkt und wie gut man später damit umgehen kann. Der Zeitpunkt der Traumatisierung spielt auch für eine spätere Behandlung eine Rolle, weil Menschen je nach Alter über unterschiedliche Voraussetzungen und geistige Fähigkeiten verfügen.
Je älter jemand beim Erleben eines Traumas ist, desto mehr Kompetenzen und Strategien stehen normalerweise zur Verfügung. Je jünger eine Person ist, desto eher kann es passieren, dass die Erfahrung nicht bewusst im Gedächtnis abgespeichert wird. Das bedeutet, dass sie auch ohne traumabedingte Erinnerungslücken (Amnesien) möglicherweise keinen bewussten Zugang mehr zu dem Geschehen hat.
Besonders wichtige Voraussetzungen und Kompetenzen sind dabei:
- die Entwicklung von Gehirn und Nervensystem, die je nach Alter sehr unterschiedlich ist,
- ob Bewältigungsstrategien (Copingstrategien) bereits vorhanden sind oder noch nicht,
- ob Resilienz (seelische Widerstandskraft) schon entwickelt ist,
- ob ein unterstützendes soziales Netz vorhanden ist.
Pränatale Traumatisierungen (vor der Geburt, im Mutterleib) durch z.B.
- Stöße, Schläge
- Vergiftungen
- Alkohol, Tabletten
- Stresshormone
- Ultraschall
- u.s.w.
Perinatale Traumatisierungen (während der Geburt) durch z.B.
- Steckenbleiben im Geburtskanal
- Nabelschnur um den Hals
- Sauerstoffmangel
- Einsatz von Saugglocke
- u.s.w.
Postnatale Traumatisierungen (nach der Geburt)
- darunter fallen alle bisher genannten Traumatisierungen
- erlebbar in jedem Lebensalter
- als Säugling
- als Kleinkind
- als Kind
- als Schulkind
- als Jugendlicher
- als junger Erwachsener
- als Erwachsener
- als älterer Mensch
Zusammenhang von Körper und Psyche bei Trauma
Traumatische Erfahrungen betreffen nicht nur die Psyche, sondern auch den Körper. Man spricht deshalb häufig von einem psychophysischen Geschehen, das Geist, Gefühle und körperliche Prozesse gleichermaßen einbezieht.
Ein Trauma aktiviert das autonome/vegetative Nervensystem:
Herzschlag, Atmung, Muskelspannung und Hormonausschüttung werden so reguliert, dass der Organismus in Alarmbereitschaft kommt. Dieser Zustand ist biologisch sinnvoll, um in Gefahr schnell reagieren zu können („Kampf- oder Fluchtmodus“). Doch wenn das Trauma nicht verarbeitet werden kann, bleibt das System oft in einer dauerhaften Übererregung oder in einem Zustand von Erstarrung gefangen.
Das hat mehrere Folgen:
- Anhaltende Anspannung in Muskeln und Bindegewebe, was zu Schmerzen, Verspannungen oder chronischer Erschöpfung führen kann.
- Störungen im Hormonsystem, etwa ein dauerhaft erhöhter Cortisolspiegel, der Schlaf, Stoffwechsel und Immunsystem beeinträchtigt.
- Veränderungen im Gehirn, insbesondere in Bereichen wie Amygdala (Angstzentrum), Limbisches System (, Bindung) oder Hippocampus (Gedächtnis, Erinnerungen), die erklären, warum Betroffene Flashbacks haben oder Erinnerungen nur bruchstückhaft abgespeichert sind.
- „Körpergedächtnis“: Auch wenn keine bewusste Erinnerung an ein Ereignis vorhanden ist, kann der Körper es in Form von Empfindungen, Schmerzen oder unwillkürlichen Reaktionen „erinnern“.
Deshalb treten bei traumatisierten Menschen häufig körperliche Beschwerden ohne klare organische Ursache auf. Hier wird sichtbar, wie eng Psyche und Körper miteinander verbunden sind.
Therapie- und Heilungsansätze bei Trauma
Auch wenn traumatische Erfahrungen tiefe Spuren hinterlassen können, bedeutet das nicht, dass Betroffene für immer in ihren Symptomen gefangen bleiben müssen. Forschung und Praxis zeigen, dass Heilung möglich ist, oft als ein schrittweiser Prozess, der Sicherheit, Stabilität und neue Erfahrungen von Verbindung schafft.
Wichtige Ansätze sind:
- Körperorientierte Methoden: Da Trauma ganz deutlich im Nervensystem und im Körper „gespeichert“ ist, sind Ansätze wie Somatic Experiencing, Polyvagal-Therapie oder traumasensible Körpertherapien hilfreich. Sie helfen, die Verbindung zum eigenen Körper wiederherzustellen und das Nervensystem zu regulieren.
- Psychotherapie: Verfahren wie traumaspezifische Gesprächstherapien, EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) oder kognitive Verhaltenstherapie unterstützen dabei, belastende Erinnerungen zu verarbeiten und neue Bewältigungsstrategien zu entwickeln.
- Achtsamkeit und Stabilisierung: Übungen zur Selbstwahrnehmung, Meditation oder Ressourcenarbeit stärken die Fähigkeit, im Hier und Jetzt zu bleiben, und bauen innere Sicherheit auf.
- Kreative Ausdrucksformen: Malen, Schreiben, Musik oder Bewegung ermöglichen, Gefühle zu äußern, die sprachlich schwer fassbar sind.
- Soziale Unterstützung: Beziehungen spielen eine zentrale Rolle in der Heilung. Ein unterstützendes Umfeld, stabile Bindungen und das Gefühl, verstanden zu werden, sind oft genauso wichtig wie therapeutische Verfahren.
Heilung bedeutet dabei nicht, dass die Vergangenheit ungeschehen gemacht wird. Vielmehr geht es darum, neue Erfahrungen von Sicherheit, Verbindung und Selbstwirksamkeit aufzubauen. Viele Betroffene berichten, dass sie durch den Heilungsprozess auch eine neue Stärke entwickeln – die Fähigkeit, sensibler für eigene Grenzen zu sein und bewusster mit sich und anderen umzugehen.
Umgang mit Trauma: Wege zu Stabilität und innerer Stärke
Der Umgang mit den Folgen eines Traumas ist ein Prozess, der Zeit, Geduld und sensible Aufmerksamkeit erfordert. Traumatische Erfahrungen können das Gefühl von Sicherheit, Selbstwirksamkeit und Vertrauen tief erschüttern. Doch auch inmitten dieser Erschütterung ist Veränderung möglich. Menschen können Wege finden, wieder Halt zu spüren, ihr Leben Schritt für Schritt neu zu ordnen und ihre inneren Ressourcen wieder zugänglich zu machen.
Ein zentraler Aspekt ist die Erfahrung von Verlässlichkeit und Sicherheit. Wenn Betroffene spüren, dass sie sich auf ihr Umfeld, auf therapeutische Begleitung oder auf ihre eigenen Fähigkeiten verlassen können, beginnt das Nervensystem, sich langsam zu beruhigen. Diese Erfahrungen wirken wie kleine Anker im Alltag, die Stabilität geben und den Weg aus der ständigen Alarmbereitschaft öffnen.
Trauma verändert oft die Wahrnehmung von Nähe, Vertrauen und Bindung. Deshalb ist es ein wichtiger Teil des Heilungsprozesses, dass Betroffene wieder die Möglichkeit erhalten, Verbindung und Begegnung in einem geschützten Rahmen zu erfahren – ohne überfordert oder bedrängt zu werden. Solche Erfahrungen helfen, das innere Gleichgewicht zu stabilisieren und das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und Grenzen zu erneuern. Gleichzeitig können sie die persönliche Resilienz stärken, indem sie zeigen, dass Bewältigung möglich ist und Stabilität wieder aufgebaut werden kann.
Ebenso entscheidend ist die langsame Rückgewinnung von Handlungsspielräumen. Traumatisierte Menschen erleben häufig das Gefühl der Hilflosigkeit oder Ohnmacht. Schon kleine Schritte, in denen sie Entscheidungen treffen, Grenzen setzen oder Situationen aktiv gestalten, tragen dazu bei, Selbstwirksamkeit wieder zu erleben. Diese Erfahrungen, so unscheinbar sie im Alltag erscheinen mögen, wirken kumulativ, fördern die Ressourcen des Betroffenen und stärken die Resilienz, sodass nach und nach ein Gefühl von innerer Stabilität und Kontrolle entsteht.
Traumaarbeit ist daher kein linearer Prozess. Es gibt Rückschritte, Phasen der Überwältigung und Momente, in denen alte Reaktionsmuster wieder auftauchen. Gleichzeitig eröffnen sich immer wieder Chancen für neue Erfahrungen von Sicherheit, Verbundenheit und Kontrolle, die nach und nach das innere Gleichgewicht stabilisieren. In diesem Sinne ist Heilung kein Ziel, das abrupt erreicht wird, sondern ein fortlaufender Prozess, der sich aus vielen kleinen, miteinander verwobenen Erfahrungen zusammensetzt – getragen von den Ressourcen und der Resilienz, die jede Person in sich trägt.
Schlussgedanken
Trauma beschreibt nicht nur ein belastendes Ereignis, sondern vor allem die Folgen, die ein solches Erlebnis auf Körper, Psyche und Beziehungen haben kann. Diese Folgen sind vielfältig, von körperlichen Beschwerden über Ängste und Flashbacks bis hin zu Schwierigkeiten im Vertrauen und in der Bindung. Entscheidend ist, dass Trauma kein unveränderliches Schicksal bedeutet.
Heilung ist möglich. Nicht als geradliniger Weg, sondern als Prozess, der von kleinen Schritten getragen wird: von Momenten der Sicherheit, von neuen Erfahrungen der Verbundenheit und vom Wiederentdecken der eigenen Ressourcen. Dabei geht es nicht darum, die Vergangenheit ungeschehen zu machen, sondern darum, wieder Stabilität, Vertrauen und Selbstwirksamkeit zu erleben.
Vielleicht erkennst du dich in manchen Beschreibungen wieder. Wenn ja, dann sei dir bewusst, dass Trauma keine Schwäche ist, sondern eine verständliche Reaktion auf eine Überforderung. Alles, was du für den Weg der Heilung brauchst, trägst du bereits in dir: deine Ressourcen, deine Resilienz und die Fähigkeit, dich Schritt für Schritt neu auszurichten. Es ist ein Prozess, der Zeit braucht, aber er ist möglich. Und es ist vollkommen in Ordnung und ein Zeichen von Stärke, sich dabei Unterstützung zu holen. Sei es durch vertrauensvolle Menschen, therapeutische Begleitung oder andere professionelle Angebote.