Fibromyalgie – wenn der ganze Körper schmerzt

Stellen Sie sich vor, Ihr Körper fühlt sich an, als hätten Sie eine schwere Grippe… nur hört sie nie auf. Ihre Glieder schmerzen, die Muskeln tun weh, die Gelenke brennen, der Kopf pocht und selbst die einfachsten Aufgaben fühlen sich wie ein Marathon an. So, und ähnlich, beschreiben viele Menschen ihre Erfahrung mit Fibromyalgie.

Das Problem dabei: Man sieht es Ihnen nicht an. Nach außen wirken Sie oft gesund. Doch in Ihrem Inneren kämpft Ihr Körper Tag für Tag gegen einen unsichtbaren Gegner.

Fibromyalgie, oder auch Fibromyalgie-Syndrom (FMS), ist eine Erkrankung, die für viele Menschen zunächst unsichtbar bleibt, für Betroffene jedoch den Alltag stark einschränkt. Sie ist keine seltene Erscheinung, schätzungsweise zwei bis vier Prozent der Bevölkerung leben damit. Charakteristisch ist ein weit verbreiteter, oft wechselnder Schmerz im gesamten Bewegungsapparat. Dazu kommen häufig Müdigkeit, Schlafprobleme und eine Reihe weiterer Symptome, die Körper und Geist betreffen können. Weil die Krankheit nach außen nicht direkt erkennbar ist, stoßen viele Erkrankte auf Unverständnis.

Ein offenes Gespräch über Fibromyalgie ist daher wichtig. Nicht nur, um die medizinischen Fakten zu verstehen, sondern auch, um Mitgefühl und Akzeptanz zu fördern.


Ursachen und Auslöser

Fibromyalgie zählt zu den sogenannten funktionellen Schmerzsyndromen. Das bedeutet, dass Ihre Beschwerden chronisch (anhaltend), real und messbar sind, auch wenn keine klare organische Ursache, wie zum Beispiel eine Verletzung oder Entzündung, vorliegt.

Forschende gehen davon aus, dass das zentrale Nervensystem überempfindlich auf Schmerzsignale reagiert – eine gestörte Schmerzverarbeitung im zentralen Nervensystem spielt eine wesentliche Rolle. Ihr Körper reagiert dabei empfindlicher auf Reize, als es bei gesunden Menschen der Fall ist, sodass selbst normale Berührungen oder Bewegungen oft als schmerzhaft empfunden werden können.

Einige Wissenschaftler sind damit beschäftigt, bestimmte Biomarker, objektiv messbare Veränderungen, zu finden, die Fibromyalgie von anderen Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen unterscheiden können. Forscher der Universität Würzburg haben kleine Ribonukleinsäuren (RNAs) im Blut und in Hautzellen gefunden, die mit der Schwere der Symptome zusammenhängen. Einer Studie der Ohio State University gelang es laut Neuromedizin.de, Biomarker in Blutproben zu identifizieren, die Fibromyalgie von anderen Erkrankungen abgrenzen.

Die genauen Ursachen dieser Erkrankung sind also noch nicht vollständig geklärt. Seit den 1970er Jahren wird weltweit an Ursachen, Diagnostik und Therapie geforscht.
Sicher ist jedoch: Bestimmte Faktoren können zusammenwirken, die das Risiko erhöhen, Fibromyalgie auszulösen oder die Symptome zu verstärken:

  • Genetische Veranlagung
    Fibromyalgie tritt in manchen Familien gehäuft auf.
  • Stress und psychische Belastung
    Langanhaltender Stress kann Ihr Schmerzsystem empfindlicher machen.
  • Körperliche Ereignisse
    Verletzungen, Operationen oder Infektionen werden in manchen Fällen als Auslöser beschrieben.
  • Schlafprobleme
    Diese können sowohl eine Folge als auch ein Verstärker der Erkrankung sein.

Typische Symptome

Die Beschwerden können von Person zu Person unterschiedlich ausfallen, aber es gibt einige Muster, die häufig auftreten:

  • über den gesamten Körper weit verbreitete, lang andauernde, teils starke Muskel-, Gelenk- oder Sehnenschmerzen, ohne Schwellungen und ohne dass eine Entzündung oder Gewebeschädigung nachweisbar ist. Viele Betroffene berichten auch über Muskelsteifigkeit (vor allem morgens), Kribbeln oder Brennen in Armen und Beinen.
  • Überempfindlichkeit gegenüber Kälte, Wärme, Berührung, Lärm, Gerüchen oder Licht, Missempfindungen/Gefühlsstörungen an Händen und Füßen.
  • Ein- und Durchschlafstörungen und nicht erholsamer Schlaf.
  • chronische Erschöpfung und Müdigkeit, selbst nach einer ausreichenden Schlafphase fühlen sich viele Menschen mit Fibromyalgie nicht erholt.
  • kognitive Beeinträchtigungen, zum Beispiel Konzentrationsstörungen, Gedächtnisprobleme, verlangsamtes Denken und oft auch eine Art Benommenheit, die als „Fibro-Fog“ bezeichnet wird.

Diese Symptome treten oft in Kombination auf und können stark schwanken. Manche Tage verlaufen relativ beschwerdearm, während an anderen selbst einfache Tätigkeiten zu einer großen Herausforderung werden.


Häufige Begleitsymptome

Neben den typischen Hauptbeschwerden treten bei vielen Betroffenen weitere Begleiterscheinungen auf, die den Alltag zusätzlich belasten können. Darunter fallen zum Beispiel:

  • allgemein erhöhte Schmerzempfindlichkeit
  • Kopfschmerzen, Migräne, Schwindel, Tinnitus
  • Magen- und Darmbeschwerden wie Reizdarm, Bauchschmerzen, Völlegefühl, Übelkeit, Lebensmittelunverträglichkeiten
  • Reizblase mit häufigem Harndrang oder Schmerzen beim Wasserlassen ohne Infekt
  • psychische Symptome wie Reizbarkeit, Stimmungsschwankungen, depressive Verstimmungen, innere Unruhe und Angstgefühle
  • Herzrasen
  • Atembeschwerden
  • Menstruationsbeschwerden
  • Restless-Legs-Syndrom

Diese Begleitsymptome können individuell sehr unterschiedlich ausgeprägt sein und verstärken häufig die Belastung durch die Hauptbeschwerden.


Der Weg zur Diagnose

In Deutschland sind ungefähr 3,2 Millionen Menschen von Fibromyalgie betroffen. Die Erkrankung wird meist zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr diagnostiziert. Frauen sind sechs- bis siebenmal häufiger betroffen als Männer. Inzwischen zeigen sich Fibromyalgie-Beschwerden auch bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen.

Eine Diagnose zu erhalten, kann für Sie herausfordernd sein und oft eine Geduldsprobe darstellen. Viele haben bereits zahlreiche Arztbesuche hinter sich, ehe eine eindeutige Einschätzung erfolgt. Der Grund: Es gibt bislang keinen spezifischen Laborwert oder bildgebenden Befund, der Fibromyalgie eindeutig nachweist.

Wie erfolgt die Diagnose?

  • Ausführliche Anamnese
    Ihre Krankengeschichte, die Art und Dauer der Schmerzen sowie Begleitsymptome werden erfasst.
  • Ausschluss anderer Erkrankungen
    Da viele Symptome auch bei anderen Krankheiten vorkommen können (z. B. Rheuma, Schilddrüsenerkrankungen, entzündliche Muskel- oder Nervenerkrankungen), müssen diese ausgeschlossen werden.
  • Diagnosekriterien
    Schmerzen müssen über mindestens drei Monate bestehen, in mindestens vier von fünf Körperregionen auftreten und von Müdigkeit, Schlafstörungen oder kognitiven Einschränkungen begleitet sein.

Behandlungsmöglichkeiten

Fibromyalgie ist bislang nicht heilbar. Dennoch gibt es zahlreiche Möglichkeiten, wie Sie Ihre Beschwerden besser in den Griff bekommen können. Ein ganzheitlicher Ansatz hat sich dabei bewährt:

  • Regelmäßige, sanfte Bewegung
    Spazierengehen, Schwimmen oder leichtes Ausdauertraining.
  • Schlafhygiene
    Feste Schlafenszeiten, ruhige Umgebung, kein Bildschirmlicht vor dem Zubettgehen.
  • Stressabbau
    Progressive Muskelentspannung, Autogenes Training, Meditation, Atemübungen oder Yoga.
  • Schmerzbewältigung
    Im Rahmen einer Psychotherapie können Strategien erlernt werden, um den Umgang mit Schmerzen zu verbessern.
  • Medikamente
    In manchen Fällen werden sie unterstützend eingesetzt – zum Beispiel für besseren Schlaf oder zur Schmerzreduzierung. Es gibt jedoch kein spezielles, zugelassenes Medikament für Fibromyalgie, und nicht alle sprechen darauf an.

Zusammenfassung

Fibromyalgie ist eine komplexe und oft unsichtbare Erkrankung, die Ihr Leben auf vielen Ebenen beeinflussen kann. Typisch sind weit verbreitete Schmerzen, chronische Müdigkeit, nicht erholsamer Schlaf und viele weitere Symptome, die sowohl Körper als auch Psyche belasten. Die Ursachen sind bis heute nicht vollständig geklärt, doch Forschung zeigt: Eine gestörte Schmerzverarbeitung im Nervensystem sowie genetische, körperliche und psychische Faktoren spielen eine Rolle.

Der Weg zur Diagnose ist häufig lang und frustrierend, weil es keinen eindeutigen Test gibt. Doch die Diagnose schafft Klarheit und eröffnet Wege, wie Sie Ihren Alltag wieder aktiv gestalten können – auch wenn die Erkrankung nicht heilbar ist.

Ein ganzheitlicher Ansatz mit Bewegung, Stressabbau, guter Schlafhygiene und individuell abgestimmten Strategien kann Ihre Lebensqualität spürbar verbessern. Wichtig ist: Sie müssen nicht „funktionieren“. Fibromyalgie ist real – und Sie dürfen lernen, mit Rücksicht auf sich selbst neue Wege zu gehen.


Impuls für Sie

Fibromyalgie kann vieles nehmen – Kraft, Energie, manchmal sogar Hoffnung. Doch sie definiert nicht, wer Sie sind. Jeder kleine Schritt in Richtung Selbstfürsorge, jede Pause, die Sie sich gönnen, und jede Grenze, die Sie achtsam setzen, ist ein Zeichen von Stärke. Sie sind nicht allein auf diesem Weg – es gibt Unterstützung, Hilfe und Strategien, die Ihnen helfen können, wieder zu mehr Lebensfreude zu finden.


3 Gedanken zu „Fibromyalgie – wenn der ganze Körper schmerzt“

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  2. Liebe Alexandra,
    herzlichen Dank für diesen einfühlsamen Beitrag über Fibromyalgie. Ich finde es besonders wichtig, wie Du das unsichtbare Leiden sichtbar machst – gerade weil Außenstehende oft nicht sehen, wie stark jemand innerlich kämpft. Als systemische Beraterin sehe ich oft, wie sehr Betroffene Entlastung finden, wenn sie gehört und verstanden werden.
    Ich wünsche allen, die damit leben, viel Kraft und liebevolle Unterstützung – und den Mut, sanfte Wege der Selbstfürsorge zu gehen.

    Viele Grüße
    Anja

    1. Liebe Anja,
      vielen lieben Dank für deine Rückmeldung zu meinem Beitrag. Gerade weil ich selbst betroffen bin, war es mir sehr wichtig, auf die unsichtbaren Leiden und Folgen der Krankheit aufmerksam zu machen.
      Das richtige Zuhören und Sehen eines jeden Gegenübers ist meiner Meinung nach einer der wichtigsten Punkte in Therapie und Beratung. Das kann schon sehr viele Prozesse in Gang bringen.
      Und auch im alltäglichen Leben, würde es schon sehr viele Probleme deutlich verringern,wenn sich die Menschen wieder mehr Zeit füreinander nehmen könnten und würden.
      Liebe Grüße,
      Alexandra

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